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◈ Kabale und Liebe (간계와 사랑) ◈
◇ Fünfter Akt. ◇
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1783년
Friedrich Schiller
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1. Fünfter Akt.

2
Abend zwischen Licht im Zimmer beim Musikanten.
 
 

1.1. Erste Scene.

4
Luise sitzt stumm und ohne sich zu rühren in dem finstersten Winkel des Zimmers, den Kopf auf den Arm gesunken. Nach einer großen und tiefen Pause kommt Miller mit einer Handlaterne, leuchtet ängstlich im Zimmer herum, ohne Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf den Tisch und setzt die Laterne nieder.
 
5
Miller. Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht—Durch alle Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf allen Thoren hab' ich gefragt—mein Kind hat man nirgends gesehen. (Nach einigem Stillschweigen.) Geduld, armer, unglücklicher Vater! Warte ab, bis es Morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann ans Ufer geschwommen—Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgöttisch an diese Tochter hing?—Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart! Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart! (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.)
 
6
Luise (spricht aus dem Winkel). Du thust recht, armer alter Mann! Lerne bei Zeit noch verlieren.
 
7
Miller (springt auf). Bist du da, mein Kind? Bist du?—Aber warum denn so einsam und ohne Licht?
 
8
Luise. Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum, hab' ich meine besten Besuche.
 
9
Miller. Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwärmt mit der Eule. Sünden und böse Geister scheuen das Licht.
 
10
Luise. Auch die Ewigkeit, Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet.
 
11
Miller. Kind! Kind! Was für Reden sind das?
 
12
Luise (steht auf und kommt vorwärts). Ich hab' einen harten Kampf gekämpft. Er weiß es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater, man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub' Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schütteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung drücken wir im Spaß in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist lustig.
 
13
Miller. Höre, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so besser.
 
14
Luise. Wie ich ihn überlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen betrügen will!—Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kühner—das hat er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen Stern—O, sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu thun haben; aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm—Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sacramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen—Will Er mir dies Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein?
 
15
Miller. An wen, meine Tochter?
 
16
Luise. Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben mit einander nicht Raum genug für einen einzigen Gedanken an ihn—Wenn hätt' ich denn wohl an sonst Jemand schreiben sollen?
 
17
Miller (unruhig). Höre, Luise! Ich erbrechen den Brief.
 
18
Luise. Wie Er will, Vater—aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge der Liebe.
 
19
Miller (liest). "Du bist verrathen, Ferdinand!—Ein Bubenstück ohne Beispiel zerriß den Bund unsrer Herzen, aber ein schrecklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat überall seine Horcher gestellt. Doch, wenn du Muth hast, Geliebter,—ich weiß einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher geht." (Miller hält inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.)
 
20
Luise. Warum sieht Er mich so an? Les' Er doch ganz aus, Vater.
 
21
Miller. "Aber Muth genug mußt du haben, eine finstre Straße zu wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Luise und Gott—Ganz zur Liebe mußt du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine brausenden Wünsche; nichts kannst du brauchen, als dein Herz. Willst du—so brich auf, wenn die Glocke den zwölften Streich thut auf dem Carmeliterthurm. Bangt dir—so durchstreiche das Wort stark vor deinem Geschlechte, denn ein Mädchen hat dich zu Schanden gemacht." (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen, starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine Tochter?
 
22
Luise. Er kennt ihn nicht? Er kennt ihn wirklich nicht, Vater?—Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird ihn finden.
 
23
Miller. Hum! rede deutlicher.
 
24
Luise. Ich weiß so eben kein liebliches Wort dafür—Er muß nicht erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein häßliches nenne. Dieser Ort—O warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! den schönsten hätte sie diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater—aber Er muß mich ausreden lassen—der dritte Ort ist das Grab.
 
25
Miller (zu seinem Sessel hinwankend). O mein Gott!
 
26
Luise (geht auf ihn zu und hält ihn). Nicht doch, mein Vater! Das sind nur Schauer, die sich um das Wort herum lagern—Weg mit diesem, und es liegt ein Brautbette da, worüber der Morgen seinen goldenen Teppich breitet und die Frühlinge ihre bunten Guirlanden streun. Nur ein heulender Sünder konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder, niedlicher Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tückisch nicht—ein stiller, dienstbarer Genius, der der erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet über den Graben der Zeit, das Feenschloß der ewigen Herrlichkeit aufschließt, freundlich nickt und verschwindet.
 
27
Miller. Was hast du vor, meine Tochter?—Du willst eigenmächtig Hand an dich legen.
 
28
Luise. Nenn' Er es nicht so, mein Vater. Eine Gesellschaft räumen, wo ich nicht wohl gelitten bin—an einen Ort vorausspringen, den ich nicht länger missen kann—ist denn das Sünde?
 
29
Miller. Selbstmord ist die abscheulichste, mein Kind—die einzige, die man nicht mehr bereuen kann, weil Tod und Missethat zusammenfallen.
 
30
Luise (bleibt erstarrt stehn). Entsetzlich!—Aber so rasch wird es doch nicht gehn. Ich will in den Fluß springen, Vater, und im Hinuntersinken Gott den Allmächtigen um Erbarmen bitten.
 
31
Miller. Das heißt, du willst den Diebstahl bereuen, sobald du das Gestohlene in Sicherheit weißt—Tochter! Tochter! Gib Acht, daß du Gottes nicht spottest, wenn du seiner am meisten vonnöthen hast. O! es ist weit, weit mit dir gekommen!—Du hast dein Gebet aufgegeben, und der Barmherzige zog seine Hand von dir.
 
32
Luise. Ist lieben denn Frevel, mein Vater!
 
33
Miller. Wenn du Gott liebst, wirst du nie bis zum Frevel lieben—Du hast mich tief gebeugt, meine Einzige! tief, tief, vielleicht zur Grube gebeugt.—Doch, ich will dir dein Herz nicht noch schwerer machen—Tochter, ich sprach vorhin etwas. Ich glaubte allein zu sein. Du hast mich behorcht; und warum sollt' ich's noch länger geheim halten? Du warst mein Abgott. Höre, Luise, wenn du noch Platz für das Gefühl eines Vaters hast—Du warst mein Alles. Jetzt verthust du nichts mehr von deinem Eigenthum. Auch ich hab' Alles zu verlieren. Du siehst, mein Haar fängt an grau zu werden. Die Zeit meldet sich allgemach bei mir, wo uns Vätern die Kapitale zu statten kommen, die wir im Herzen unsrer Kinder anlegten—Wirst du mich darum betrügen, Luise? Wirst du dich mit dem Hab' und Gut deines Vaters auf und davon machen?
 
34
Luise (küßt seine Hand mit der heftigsten Rührung). Nein, mein Vater. Ich gehe als Seine große Schuldnerin aus der Welt und werde in der Ewigkeit mit Wucher bezahlen.
 
35
Miller. Gib Acht, ob du dich da nicht verrechnest, mein Kind? (Sehr ernst und feierlich.) Werden wir uns dort wohl noch finden?—Sieh! wie du blaß wirst!—Meine Luise begreift es von selbst, daß ich sie in jener Welt nicht mehr wohl einholen kann, weil ich nicht so früh dahin eile, wie sie. (Luise stürzt ihm in den Arm, von Schauern ergriffen—Er drückt sie mit Feuer an seine Brust und fährt fort mit beschwörender Stimme.) O Tochter! Tochter! gefallene, vielleicht schon verlorene Tochter! Beherzige das ernsthafte Vaterwort! Ich kann nicht über dich wachen. Ich kann dir die Messer nehmen, du kannst dich mit einer Stricknadel tödten. Vor Gift kann ich dich bewahren, du kannst dich mit einer Schnur Perlen erwürgen. —Luise—Luise—nur warnen kann ich dich noch—Willst du es darauf ankommen lassen, daß dein treuloses Gaukelbild auf der schrecklichen Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit von dir weiche? Willst du dich vor des Allwissenden Thron mit der Lüge wagen: Deinetwegen, Schöpfer, bin ich da—wenn deine strafbaren Augen ihre sterbliche Puppe suchen?—Und wenn dieser zerbrechliche Gott deines Gehirns, jetzt Wurm wie du, zu den Füßen deines Richters sich windet, deine gottlose Zuversicht in diesem schwankenden Augenblick Lügen straft und deine betrogenen Hoffnungen an die ewige Erbarmung verweist, die der Elende für sich selbst kaum erflehen kann—wie dann? (Nachdrücklicher, lauter.) Wie dann, Unglückselige? (Er hält sie fester, blickt sie eine Weile starr und durchdringend an, dann verläßt er sie schnell.) Jetzt weiß ich nichts mehr—(mit aufgehobener Rechte) stehe dir, Gott Richter! für diese Seele nicht mehr. Thu, was du willst. Bring deinem schlanken Jüngling ein Opfer, daß deine Teufel jauchzen und deine guten Engel zurücktreten—Zieh hin! Lade alle deine Sünden auf, lade auch diese, die letzte, die entsetzlichste auf, und wenn die Last noch zu leicht ist, so mache mein Fluch das Gewicht vollkommen—Hier ist ein Messer—durchstich dein Herz und (indem er lautweinend fortstürzen will) das Vaterherz!
 
36
Luise (springt auf und eilt ihm nach). Halt! halt! O mein Vater! —daß die Zärtlichkeit noch barbarischer zwingt, als Tyrannenwuth! —Was soll ich? Ich kann nicht! Was muß ich thun?
 
37
Miller. Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Thränen deines Vaters—stirb!
 
38
Luise (nach einem qualvollen Kampf mit einiger Festigkeit). Vater! Hier ist meine Hand! Ich will—Gott! Gott! Was thu' ich? was will ich?—Vater, ich schwöre—wehe mir, wehe! Verbrecherin, wohin ich mich neige!—Vater, es sei!—Ferdinand—Gott sieht herab!—So zernicht' ich sein letztes Gedächtniß. (Sie zerreißt ihren Brief.)
 
39
Miller (stürzt ihr freudetrunken an den Hals). Das ist meine Tochter! —Blick' auf! um einen Liebhaber bist du leichter, dafür hast du einen glücklichen Vater gemacht. (Unter Lachen und Weinen sie umarmend.) Kind! Kind! das ich den Tag meines Lebens nicht werth war! Gott weiß, wie ich schlechter Mann zu diesem Engel gekommen bin! —Mein Luise, mein Himmelreich!—O Gott! ich verstehe ja wenig vom Lieben, aber daß es eine Qual sein muß, aufzuhören—so was begreif' ich noch.
 
40
Luise. Doch hinweg aus dieser Gegend, mein Vater—Weg von der Stadt, wo meine Gespielinnen meiner spotten und mein guter Name dahin ist auf immerdar—Weg, weg, weit weg von dem Ort, wo mich so viele Spuren der verlorenen Seligkeit anreden. Weg, wenn es möglich ist-
 
41
Miller. Wohin du nur willst, meine Tochter. Das Brod unsers Herrgotts wächst überall, und Ohren wird er auch meiner Geige bescheren. Ja! laß auch Alles dahingehn—Ich setze die Geschichte deines Grams auf die Laute, singe dann ein Lied von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr Herz zerriß—wir betteln mit der Ballade von Thüre zu Thüre, und das Almosen wird köstlich schmecken von den Händen der Weinenden-
 
 

1.2. Zweite Scene.

43
Ferdinand zu den Vorigen.
 
44
Luise (wird ihn zuerst gewahr und wirft sich Millern laut schreiend um den Hals). Gott! Da ist er! Ich bin verloren.
 
45
Miller. Wo? Wer?
 
46
Luise (zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Major und drückt sich fester an ihren Vater). Er! er selbst—Seh' Er nur um sich, Vater—Mich zu ermorden, ist er da.
 
47
Miller (erblickt ihn, fährt zurück.) Was? Sie hier, Baron?
 
48
Ferdinand (kommt langsam näher, bleibt Luisen gegenüber stehen und läßt den starren forschenden Blick auf ihr ruhen, nach einer Pause). Überraschtes Gewissen, habe Dank! Dein Bekenntniß ist schrecklich, aber schnell und gewiß, und erspart mir die Folterung.—Guten Abend, Miller.
 
49
Miller. Aber um Gottes willen! Was wollen Sie, Baron? Was führt Sie her? Was soll dieser Überfall?
 
50
Ferdinand. Ich weiß eine Zeit, wo man den Tag in seine Secunden zerstückte, wo Sehnsucht nach mir sich an die Gewichte der zögernden Wanduhr hing und auf den Aderschlag lauerte, unter dem ich erscheinen sollte—Wie kommt's, daß ich jetzt überrasche?
 
51
Miller. Gehen Sie, gehen Sie, Baron—Wenn noch ein Funke von Menschlichkeit in Ihrem Herzen zurückblieb—wenn Sie Die nicht erwürgen wollen, die Sie zu lieben vorgeben, fliehen Sie, bleiben Sie keinen Augenblick länger. Der Segen war fort aus meiner Hütte, sobald Sie einen Fuß darein setzten. Sie haben das Elend unter mein Dach gerufen, wo sonst nur die Freude zu Hause war. Sind Sie noch nicht zufrieden? Wollen Sie auch in der Wunde noch wühlen, die Ihre unglückliche Bekanntschaft mit meinem einzigen Kinde schlug?
 
52
Ferdinand. Wunderlicher Vater, jetzt komm' ich ja, deiner Tochter etwas Erfreuliches zu sagen.
 
53
Miller. Neue Hoffnungen etwa zu einer neuen Verzweiflung?—Geh, Unglücksbote! Dein Gesicht schimpft deine Waare.
 
54
Ferdinand. Endlich ist es erschienen, das Ziel meiner Hoffnungen! Lady Milford, das furchtbarste Hindernis unsrer Liebe, floh diesen Augenblick aus dem Lande. Mein Vater billigt meine Wahl. Das Schicksal läßt nach, uns zu verfolgen. Unsere glücklichen Sterne gehen auf—Ich bin jetzt da, mein gegebenes Wort einzulösen und meine Braut zum Altar abzuholen.
 
55
Miller. Hörst du ihn, meine Tochter? Hörst du ihn sein Gespötte mit deinen getäuschten Hoffnungen treiben? O wahrlich, Baron! es steht dem Verführer so schön, an seinem Verbrechen seinen Witz noch zu kitzeln.
 
56
Ferdinand. Du glaubst, ich scherze. Bei meiner Ehre nicht! Meine Aussage ist wahr, wie die Liebe meiner Luise, und heilig will ich sie halten, wie sie ihre Eide—Ich kenne nichts Heiligeres—Noch zweifelst du? noch kein freudiges Erröthen auf den Wangen meiner schönen Gemahlin? Sonderbar! die Lüge muß hier gangbare Münze sein, wenn die Wahrheit so wenig Glauben findet. Ihr mißtraut meinen Worten? So glaubt diesem schriftlichen Zeugniß. (Er wirft Luisen den Brief an den Marschall zu.)
 
57
Luise (schlägt ihn auseinander und sinkt leichenblaß nieder).
 
58
Miller (ohne das zu bemerken, zum Major). Was soll das bedeuten, Baron? Ich verstehe Sie nicht.
 
59
Ferdinand (führt ihn zu Luisen hin). Desto besser hat mich Diese verstanden.
 
60
Miller (fällt an ihr nieder). O Gott! meine Tochter!
 
61
Ferdinand. Bleich wie der Tod!—Jetzt erst gefällt sie mir, deine Tochter! So schön war sie nie, die fromme, rechtschaffene Tochter—Mit diesem Leichengesicht—Der Odem des Weltgerichts, der den Firniß von jeder Lüge streift, hat jetzt die Schminke verblasen, womit die Tausendkünstlerin auch die Engel des Lichts hintergangen hat—Es ist ihr schönstes Gesicht! Es ist ihr erstes wahres Gesicht! Laß mich es küssen. (Er will auf sie zugehen.)
 
62
Miller. Zurück! Weg! Greife nicht an das Vaterherz, Knabe! Vor deinen Liebkosungen konnt' ich sie nicht bewahren, aber ich kann es vor deinen Mißhandlungen.
 
63
Ferdinand. Was willst du, Graukopf? Mit dir hab' ich nichts zu schaffen. Menge dich ja nicht in ein Spiel, das so offenbar verloren ist—oder bist du auch vielleicht klüger, als ich dir zugetraut habe? Hast du die Weisheit deiner sechzig Jahre zu den Buhlschaften deiner Tochter geborgt und dies ehrwürdige Haar mit dem Gewerb eines Kupplers geschändet?—O! wenn das nicht ist, unglücklicher alter Mann, lege dich nieder und stirb—Noch ist es Zeit. Noch kannst du in dem süßen Taumel entschlafen: ich war ein glücklicher Vater!—Einen Augenblick später, und du schleuderst die giftige Natter ihrer höllischen Heimath zu, verfluchst das Geschenk und den Geber und fährst mit der Gotteslästerung in die Grube. (Zu Luisen.) Sprich, Unglückselige! Schriebst du diesen Brief?
 
64
Miller (warnend zu Luisen). Um Gottes Willen, Tochter! Vergiß nicht! Vergiß nicht!
 
65
Luise. O dieser Brief, mein Vater-
 
66
Ferdinand. Daß er in die unrechten Hände fiel?—Gepriesen sei mir der Zufall, er hat größere Thaten gethan, als die klügelnde Vernunft, und wird besser bestehn an jenem Tag, als der Witz aller Weisen—Zufall, sage ich?—O die Vorsehung ist dabei, wenn Sperlinge fallen, warum nicht, wo ein Teufel entlarvt werden soll?—Antwort will ich!—Schriebst du diesen Brief?
 
67
Miller (seitwärts zu ihr mit Beschwörung). Standhaft! Standhaft, meine Tochter! Nur noch das einzige Ja, und Alles ist überwunden.
 
68
Ferdinand. Lustig! lustig! Auch der Vater betrogen! Alles betrogen. Nun sieh, wie sie dasteht, die Schändliche, und selbst ihre Zunge nun ihrer letzten Lüge den Gehorsam aufkündigt! Schwöre bei Gott, bei dem fürchterlich wahren! Schriebst du diesen Brief?
 
69
Luise (nach einem qualvollen Kampf, worin sie durch Blicke mit ihrem Vater gesprochen hat, fest und entscheidend). Ich schrieb ihn.
 
70
Ferdinand (bleibe erschrocken stehen). Luise!—Nein! So wahr meine Seele lebt! du lügst—Auch die Unschuld bekennt sich auf der Folterbank zu Freveln, die sie nie beging—Ich fragte zu heftig—Nicht wahr, Luise—Du bekanntest nur, weil ich zu heftig fragte?
 
71
Luise. Ich bekannte, was wahr ist.
 
72
Ferdinand. Nein, sag' ich! nein! nein! Du schriebst nicht. Es ist deine Hand gar nicht—Und wäre sie's, warum sollten Handschriften schwerer nachzumachen sein, als Herzen zu verderben? Rede mir wahr, Luise—Oder nein, nein, thu' es nicht, du könntest Ja sagen, und ich wär' verloren—Eine Lüge, Luise—ein Lüge!—O wenn du jetzt eine wüßtest, mir hinwärfest mit der offenen Engelmiene, nur mein Ohr, nur mein Aug überredetest, dieses Herz auch noch so abscheulich täuschtest—O Luise! Alle Wahrheit möchte dann mit diesem Hauch aus der Schöpfung wandern und die gute Sache ihren starren Hals von nun an zu einem höfischen Bückling beugen! (Mit scheuem bebendem Ton.) Schriebst du diesen Brief?
 
73
Luise. Bei Gott! bei dem fürchterlich wahren! Ja!
 
74
Ferdinand (nach einer Pause, im Ausdruck des tiefsten Schmerzes). Weib! Weib!—Das Gesicht, mit dem du jetzt vor mir stehst!—Theile mit diesem Gesicht Paradiese aus, du wirst selbst im Reich der Verdammniß keinen Käufer finden—Wußtest du, was du mir warst, Luise? Unmöglich! Nein! Du wußtest nicht, daß du mir Alles warst! Alles! —Es ist ein armes verächtliches Wort, aber die Ewigkeit hat Mühe, es zu umwandern; Weltsysteme vollenden ihre Bahnen darin—Alles! und so frevelhaft damit zu spielen—O, es ist schrecklich!-
 
75
Luise. Sie haben mein Geständniß, Herr von Walter. Ich habe mich selbst verdammt. Gehen Sie nun! Verlassen Sie ein Haus, wo Sie so unglücklich waren.
 
76
Ferdinand. Gut! gut! Ich bin ja ruhig—ruhig, sagt man ja, ist auch der schaudernde Strich Landes, worüber die Pest ging—ich bin's. (Nach einigem Nachdenken.) Noch eine Bitte, Luise—die letzte! Mein Kopf brennt so fieberisch. Ich brauch Kühlung—Willst du mir ein Glas Limonade zurecht machen? (Luise geht ab.)
 
 

1.3. Dritte Scene.

78
Ferdinand und Miller.
 
79
(Beide gehen, ohne ein Wort zu reden, einige Pausen lang auf den entgegengesetzten Seiten des Zimmers auf und ab).
 
80
Miller (bleibt endlich stehen und betrachtet den Major mit trauriger Miene). Lieber Baron, kann es Ihren Gram vielleicht mindern, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich Sie herzlich bedaure!
 
81
Ferdinand. Laß Er es gut sein, Miller. (Wieder einige Schritte.) Miller, ich weiß nur kaum noch, wie ich in Sein Haus kam—Was war die Veranlassung?
 
82
Miller. Wie, Herr Major? Sie wollten ja Lection auf der Flöte bei mir nehmen? Das wissen Sie nicht mehr?
 
83
Ferdinand (rasch). Ich sah Seine Tochter! (Wiederum einige Pausen.) Er hat nicht Wort gehalten, Freund. Wir accordierten Ruhe für meine einsamen Stunden. Er betrog mich und verkaufte mir Skorpionen. (Da er Millers Bewegung sieht.) Nein, erschrick nur nicht, alter Mann. (Gerührt an seinem Hals.) Du bist nicht schuldig.
 
84
Miller (die Augen wischend). Das weiß der allwissende Gott!
 
85
Ferdinand (aufs neue hin und her, in düstres Grübeln versunken). Seltsam, o unbegreiflich seltsam spielt Gott mit uns. An dünnen unmerkbaren Seilen hängen oft fürchterliche Gewichte—Wüßte der Mensch, daß er an diesem Apfel den Tod essen sollte—Hum!—Wüßte er das? (Heftiger auf und nieder, dann Millers Hand mit starker Bewegung fassend.) Mann! Ich bezahle dir dein Bischen Flöte zu theuer—und du gewinnst nicht einmal—auch du verlierst—verlierst vielleicht Alles. (Gepreßt von ihm weggehend.) Unglückseliges Flötenspiel, das mir nie hätte einfallen sollen!
 
86
Miller (sucht seine Rührung zu verbergen). Die Limonade bleibt auch gar zu lang außen. Ich denke, ich sehe nach, wenn Sie mir's nicht für übel nehmen-
 
87
Ferdinand. Es eilt nicht, lieber Miller. (Vor sich hinmurmelnd.) Zumal für den Vater nicht—Bleib' Er nur—Was hatt' ich doch fragen wollen?—Ja!—Ist Luise Seine einzige Tochter? Sonst hat Er keine Kinder mehr?
 
88
Miller (warm). Habe sonst keins mehr, Baron—wünsch' mir auch keins mehr. Das Mädel ist just so recht, mein ganzes Vaterherz einzustecken—hab' meine ganze Baarschaft von Liebe an der Tochter schon zugesetzt.
 
89
Ferdinand (heftig erschüttert). Ha!—Seh' Er doch lieber nach dem Trank, guter Miller. (Miller ab.)
 
 
 

1.4. Vierte Scene.

91
Ferdinand allein.
 
92
Ferdinand.
93
Das einzige Kind!—Fühlst du das, Mörder? Das einzige! Mörder! hörst du, das einzige?—Und der Mann hat auf der großen Welt Gottes nichts, als sein Instrument und das einzige—Du willst's ihm rauben?
 
94
Rauben?—rauben den letzten Nothpfenning einem Bettler? Die Krücke zerbrochen vor die Füße werfen dem Lahmen? Wie? Hab' ich auch Brust für das?—Und wenn er nun heimeilt und nicht erwarten kann, die ganze Summe seiner Freuden vom Gesicht dieser Tochter herunter zu zählen, und hereintritt und sie da liegt, die Blume—welk—todt—zertreten, muthwillig, die letzte, einzige, unüberschwängliche Hoffnung—Ha, und er dasteht vor ihr, und dasteht und ihm die ganze Natur den lebendigen Odem anhält, und sein erstarrter Blick die entvölkerte Unendlichkeit fruchtlos durchwandert, Gott sucht, und Gott nicht mehr finden kann und leerer zurückkommt—Gott! Gott! Aber auch mein Vater hat diesen einzigen Sohn—den einzigen Sohn, doch nicht den einzigen Reichthum—(Nach einer Pause.) Doch wie? Was verliert er denn? Das Mädchen, dem die heiligsten Gefühle der Liebe nur Puppen waren, wird es den Vater glücklich machen können?—Es wird nicht, es wird nicht! Und ich verdiene noch Dank, daß ich die Natter zertrete, ehe sie auch noch den Vater verwundet.
 
 

1.5. Fünfte Scene.

96
Miller, der zurückkommt, und Ferdinand.
 
97
Miller. Gleich sollen Sie bedient sein, Baron! Draußen sitzt das arme Ding und will sich zu Tod weinen. Sie wird Ihnen mit der Limonade auch Thränen zu trinken geben.
 
98
Ferdinand. Und wohl, wenn's nur Thränen wären!—Weil wir vorhin von der Musik sprachen, Miller—(Eine Börse ziehend.) Ich bin noch Sein Schuldner.
 
99
Miller. Wie? Was? Gehen Sie mir, Baron! Wofür halten Sie mich? Das steht ja in guter Hand, thun Sie mir doch den Schimpf nicht an, und sind wir ja, will's Gott, nicht das letzte Mal bei einander.
 
100
Ferdinand. Wer kann das wissen? Nehm' Er nur. Es ist für Leben und Sterben.
 
101
Miller (lachend). O deßwegen, Baron! Auf den Fall, denk' ich, kann man's wagen bei Ihnen.
 
102
Ferdinand. Man wagte wirklich—Hat Er nie gehört, daß Jünglinge gefallen sind—Mädchen und Jünglinge, die Kinder der Hoffnung, die Luftschlösser betrogener Väter—Was Wurm und Alter nicht thun, kann oft ein Donnerschlag ausrichten—Auch Seine Luise ist nicht unsterblich.
 
103
Miller. Ich hab' sie von Gott.
 
104
Ferdinand. Hör' Er—Ich sag' Ihm, sie ist nicht unsterblich. Diese Tochter ist Sein Augapfel. Er hat sich mit Herz und Seel' an diese Tochter gehängt. Sei Er vorsichtig, Miller. Nur ein verzweifelter Spieler setzt Alles auf einen einzigen Wurf. Einen Waghals nennt man den Kaufmann, der auf ein Schiff sein ganzes Vermögen ladet—Hör' Er, denk' Er der Warnung nach—Aber warum nimmt Er Sein Geld nicht?
 
105
Miller. Was, Herr? die ganze allmächtige Börse? Wohin denken Eure Gnaden?
 
106
Ferdinand. Auf meine Schuldigkeit—Da! (Er wirft den Beutel auf den Tisch, daß Goldstücke herausfallen.) Ich kann den Quark nicht eine Ewigkeit so halten.
 
107
Miller (bestürzt). Was beim großen Gott? Der klang nicht wie Silbergeld! (Er tritt zum Tisch und ruft mit Entsetzen.) Wie, um aller Himmel willen, Baron? Baron? Wie sind Sie? Was treiben Sie, Baron? Das nenn' ich mir Zerstreuung! (Mit zusammengeschlagenen Händen.) Hier liegt ja—oder bin ich verhext,—oder—Gott verdamm mich! Da greif' ich ja das baare, gelbe, leibhaftige Gottesgold—Nein, Satanas! Du sollst mich nicht daran kriegen!
 
108
Ferdinand. Hat Er Alten oder Neuen getrunken, Miller?
 
109
Miller (grob). Donner und Wetter! Da schauen Sie nur hin!—Gold!
 
110
Ferdinand. Und was weiter?
 
111
Miller. Ins Henkers Namen—ich sage—ich bitte Sie um Gottes Christi willen—Gold!
 
112
Ferdinand. Das ist nun freilich etwas Merkwürdiges.
 
113
Miller (nach einigem Stillschweigen zu ihm gehend, mit Empfindung). Gnädiger Herr, ich bin ein schlichter, gerader Mann, wenn Sie mich etwa zu einem Bubenstück anspannen wollen—denn so viel Geld läßt sich, weißt Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen.
 
114
Ferdinand (bewegt). Sei Er ganz getrost, lieber Miller. Das Geld hat Er längst verdient, und Gott bewahre mich, daß ich mich mit Seinem guten Gewissen dafür bezahlt machen sollte.
 
115
Miller (wie ein Halbnarr in die Höhe springend). Mein also! mein! Mit des guten Gottes Wissen und Willen, mein! (Nach der Thür laufend, schreiend.) Weib! Tochter! Victoria! Herbei! (Zurückkommend.) Aber du lieber Himmel! Wie komm' ich denn so auf einmal zu dem ganzen grausamen Reichthum? Wie verdien' ich ihn? lohn' ich ihn? Heh?
 
116
Ferdinand. Nicht mit Seinen Musikstunden, Miller.—Mit dem Geld hier bezahl' ich Ihm, (von Schauern ergriffen hält er inn) bezahl' ich Ihm (nach einer Pause mit Wehmuth) den drei Monat langen glücklichen Traum von Seiner Tochter.
 
117
Miller (faßt seine Hand, die er stark drückt). Gnädiger Herr! Wären Sie ein schlechter, geringer Bürgersmann—(rasch) und mein Mädel liebte Sie nicht—erstechen wollt' ich's, das Mädel! (Wieder beim Geld, darauf niedergeschlagen.) Aber da hab' ich ja nun Alles und Sie nichts, und da werd' ich nun das ganze Gaudium wieder herausblechen müssen? Heh?
 
118
Ferdinand. Laß Er sich das nicht anfechten, Freund—Ich reise ab, und in dem Land, wo ich mich zu setzen gedenke, gelten die Stempel nicht.
 
119
Miller (unterdessen mit unverwandten Augen auf das Gold hingeheftet, voll Entzückung). Bleibt's also mein? Bleibt's?—Aber das thut mir nur leid, daß Sie verreisen—Und wart, was ich jetzt auftreten will! Wie ich die Backen jetzt vollnehmen will! (Er setzt den Hut auf und schießt durch das Zimmer.) Und auf den Markt will ich und meine Musikstunden geben und Numero fünfe Dreikönig rauchen, und wenn ich wieder auf dem Dreibatzenplatz sitze, soll mich der Teufel holen. (Will fort.)
 
120
Ferdinand. Bleib' Er! Schweig' Er! und streich' Er sein Geld ein! (Nachdrücklich.) Nur diesen Abend noch schweig' Er und geb' Er, mir zu Gefallen, von nun an keine Musikstunden mehr.
 
121
Miller (noch hitziger und ihn hart an der Weste fassend, voll inniger Freude). Und, Herr! meine Tochter! (Ihn werden loslassend.) Geld macht den Mann nicht—Geld nicht—Ich habe Kartoffeln gegessen oder ein wildes Huhn; satt ist satt, und dieser Rock da ist ewig gut, wenn Gottes liebe Sonne nicht durch den Ärmel scheint—Für mich ist das Plunder—Aber dem Mädel soll der Segen bekommen; was ich ihr nur an den Augen absehen kann, soll sie haben-
 
122
Ferdinand (fällt rasch ein). Stille, o stille-
 
123
Miller (immer feuriger). Und soll mir Französisch lernen aus dem Fundament und Menuet-Tanzen und Singen, daß man's in den Zeitungen lesen soll; und eine Haube soll sie tragen, wie die Hofrathstöchter, und einen Kidebarri, wie sie's heißen, und von der Geigerstochter soll man reden auf vier Meilen weit-
 
124
Ferdinand (ergreift seine Hand mit der schrecklichsten Bewegung). Nichts mehr! Nichts mehr! Um Gotteswillen, schweig' Er still! Nur noch heute schweig' Er still! Das sei der einzige Dank, den ich von Ihm fordre.
 
 

1.6. Sechste Scene.

126
Luise mit der Limonade, und die Vorigen.
 
127
Luise (mit rotgeweinten Augen und zitternder Stimme, indem sie dem Major das Glas auf einem Teller bringt). Sie befehlen, wenn sie nicht stark genug ist.
 
128
Ferdinand (nimmt das Glas, setzt es nieder und dreht sich rasch gegen Millern). O beinahe hätt' ich das vergessen!—Darf ich Ihn um etwas bitten, lieber Miller? Will Er mir einen kleinen Gefallen thun?
 
129
Miller. Tausend für einen! Was befehlen-
 
130
Ferdinand. Man wird mich bei der Tafel erwarten. Zum Unglück hab' ich eine sehr böse Laune. Es ist mir ganz unmöglich, unter Menschen zu gehn—Will Er einen Gang thun zu meinem Vater und mich entschuldigen?
 
131
Luise (erschrickt und fällt schnell ein). Den Gang kann ja ich thun.
 
132
Miller. Zum Präsidenten?
 
133
Ferdinand. Nicht zu ihm selbst. Er übergibt Seinen Auftrag in der Garderobe einem Kammerdiener—Zu Seiner Legitimation ist hier meine Uhr—Ich bin noch da, wenn Er wieder kommt.—Er wartet auf Antwort.
 
134
Luise (sehr ängstlich). Kann denn ich das nicht auch besorgen?
 
135
Ferdinand (zu Millern, der eben fort will). Halt, und noch etwas! Hier ist ein Brief an meinen Vater, der diesen Abend an mich eingeschlossen kam—Vielleicht dringende Geschäfte—Es geht in einer Bestellung hin-
 
136
Miller. Schon gut, Baron!
 
137
Luise (hängt sich an ihn, in der entsetzlichsten Bangigkeit). Aber, mein Vater, Dies alles könnt' ich ja recht gut besorgen.
 
138
Miller. Du bist allein, und es ist finstre Nacht, meine Tochter. (Ab.)
 
 
139
Ferdinand. Leuchte deinem Vater, Luise! (Während dem, daß sie Millern mit dem Licht begleitet, tritt er zum Tisch und wirft Gift in ein Glas Limonade.) Ja, sie soll dran! Sie soll! Die obern Mächte nicken mir ihr schreckliches Ja herunter, die Rache des Himmels unterschreibt, ihr guter Engel läßt sie fahren-
 
 

1.7. Siebente Scene.

141
Ferdinand und Luise.
 
142
Sie kommt langsam mit dem Lichte zurück, setzt es nieder und stellt sich auf die entgegengesetzte Seite vom Major, das Gesicht auf den Boden geschlagen und nur zuweilen furchtsam und verstohlen nach ihm hinüberschielend. Er steht auf der andern Seite und sieht starr vor sich hinaus. (Großes Stillschweigen, das diesen Auftritt ankündigen muß.)
 
143
Luise. Wollen Sie mich accompagnieren, Herr von Walter, so mach' ich einen Gang auf dem Fortepiano. (Sie öffnet den Pantalon.)
 
144
(Ferdinand gibt keine Antwort. Pause.)
 
145
Luise. Sie sind mir auch noch Revanche auf dem Schachbrett schuldig. Wollen wir eine Partie, Herr von Walter? (Eine neue Pause.)
 
146
Luise. Herr von Walter, die Brieftasche, die ich Ihnen einmal zu sticken versprochen—ich habe sie angefangen—Wollen Sie das Dessin nicht besehen? (Wieder eine Pause.)
 
147
Luise. Ich bin sehr elend!
 
148
Ferdinand (in der bisherigen Stellung). Das könnte wahr sein.
 
149
Luise. Meine Schuld ist es nicht, Herr von Walter, daß Sie so schlecht unterhalten werden.
 
150
Ferdinand (lacht beleidigend vor sich hin). Denn was kannst du für meine blöde Bescheidenheit?
 
151
Luise. Ich hab' es ja wohl gewußt, daß wir jetzt nicht zusammen taugen. Ich erschrak auch gleich, ich bekenne es, als Sie meinen Vater verschickten—Herr von Walter, ich vermuthe, dieser Augenblick wird uns Beiden gleich unerträglich sein—Wenn Sie mir's erlauben wollen, so geh' ich und bitte einige von meinen Bekannten her.
 
152
Ferdinand. O ja doch, das thu'. Ich will auch gleich gehn und von den meinigen bitten.
 
153
Luise (sieht ihn stutzend an). Herr von Walter?
 
154
Ferdinand (sehr hämisch). Bei meiner Ehre! der gescheidteste Einfall, den ein Mensch in dieser Lage nur haben kann. Wir machen aus diesem verdrießlichen Duett eine Lustbarkeit und rächen uns mit Hilfe gewisser Galanterieen an den Grillen der Liebe.
 
155
Luise. Sie sind aufgeräumt, Herr von Walter.
 
156
Ferdinand. Ganz außerordentlich, um die Knaben auf dem Markt hinter mir her zu jagen! Nein! In Wahrheit, Luise! dein Beispiel bekehrt mich—du sollst meine Lehrerin sein. Thoren sind's, die von ewiger Liebe schwatzen. Ewiges Einerlei widersteht, Veränderung nur ist das Salz des Vergnügens—Topp, Luise! Ich bin dabei—Wir hüpfen von Roman zu Roman, wälzen uns von Schlamme zu Schlamm—Du dahin—ich dorthin—vielleicht, daß meine verlorene Ruhe sich in einem Bordell wieder finden läßt—Vielleicht, daß wir dann nach dem lustigen Wettlauf, zwei modernde Gerippe, mit der angenehmsten Überraschung von der Welt zum zweiten Mal aufeinander stoßen, daß wir uns da an dem gemeinschaftlichen Familienzug, den kein Kind dieser Mutter verleugnet, wie in Komödien wieder erkennen, daß Ekel und Scham noch eine Harmonie veranstalten, die der zärtlichsten Liebe unmöglich gewesen ist.
 
157
Luise. O Jüngling! Jüngling! Unglücklich bist du schon; willst du es auch noch verdienen?
 
158
Ferdinand (ergrimmt durch die Zähne murmelnd). Unglücklich bin ich? Wer hat dir das gesagt? Weib, du bist zu schlecht, und selbst zu empfinden—womit kannst du eines Andern Empfindungen wägen?—Unglücklich, sagte sie?—Ha! dieses Wort könnte meine Wuth aus dem Grabe rufen! Unglücklich mußt' ich werden, das wußte sie. Tod und Verdammniß! das wußte sie und hat mich dennoch verrathen—Siehe, Schlange! das war der einzige Fleck der Vergebung—Deine Aussage bricht dir den Hals—Bis jetzt konnt' ich deinen Frevel mit deiner Einfalt beschönigen, in meiner Verachtung wärst du beinahe meiner Rache entsprungen. (Indem er hastig das Glas ergreift.) Also leichtsinnig warst du nicht—dumm warst du nicht—du warst nur ein Teufel. (Er trinkt.) Die Limonade ist matt wie deine Seele—Versuche!
 
159
Luise. O Himmel! Nicht umsonst hab' ich diesen Auftritt gefürchtet.
 
160
Ferdinand (gebieterisch). Versuche!
 
161
Luise (nimmt das Glas etwas unwillig und trinkt).
 
162
Ferdinand (wendet sich, sobald sie das Glas an den Mund setzt, mit einer plötzlichen Erblassung weg und eilt nach dem hintersten Winkel des Zimmers).
 
163
Luise. Die Limonade ist gut.
 
164
Ferdinand (ohne sich umzukehren, von Schauer geschüttelt). Wohl bekomm's!
 
165
Luise (nachdem sie es niedergesetzt). O wenn Sie wüßten, Walter, wie ungeheuer Sie meine Seele beleidigen.
 
166
Ferdinand. Hum!
 
167
Luise. Es wird eine Zeit kommen, Walter-
 
168
Ferdinand (wieder vorwärts kommend). O! mit der Zeit wären wir fertig.
 
169
Luise. Wo der heutige Abend schwer auf Ihr Herz fallen dürfte-
 
170
Ferdinand (fängt an stärker zu gehen und beunruhigter zu werden, indem er Schärpe und Degen von sich wirft). Gute Nacht, Herrendienst!
 
171
Luise. Mein Gott! Wie wird Ihnen?
 
172
Ferdinand. Heiß und enge—Will mir's bequemer machen.
 
173
Luise. Trinken Sie! Trinken Sie! Der Trank wird Sie kühlen.
 
174
Ferdinand. Das wird er auch ganz gewiß—Die Metze ist gutherzig; doch, das sind alle!
 
175
Luise (mit dem vollen Ausdruck der Liebe ihm in die Arme eilend). Das deiner Luise, Ferdinand?
 
176
Ferdinand (drückt sie von sich). Fort! Fort! Diese sanften schmelzenden Augen weg! Ich erliege. Komm in deiner ungeheuern Furchtbarkeit, Schlange! spring an mir auf, Wurm!—Krame vor mir deine gräßlichen Knoten aus, bäume deine Wirbel zum Himmel!—so abscheulich, als dich jemals der Abgrund sah—nur keinen Engel mehr—nur jetzt keinen Engel mehr—Es ist zu spät—Ich muß dich zertreten, wie eine Natter, oder verzweifeln—Erbarme dich!
 
177
Luise. O! daß es so weit kommen mußte!
 
178
Ferdinand (sie von der Seite betrachtend). Dieses schöne Werk des himmlischen Bildners—Wer kann das glauben?—Wer sollte das glauben? (Ihre Hand fassend und emporhaltend.) Ich will dich nicht zur Rede stellen, Gott Schöpfer—Aber warum denn dein Gift in so schönen Gefäßen?—Kann das Laster in diesem milden Himmelstrich fortkommen?—O, es ist seltsam.
 
179
Luise. Das anzuhören und schweigen zu müssen!
 
180
Ferdinand. Und die süße melodische Stimme—Wie kann so viel Wohlklang kommen aus zerrissenen Saiten? (Mit trunkenem Aug auf ihrem Anblick verweilend.) Alles so schön—so voll Ebenmaß—so göttlich vollkommen!—Überall das Werk seiner himmlischen Schäferstunde! Bei Gott! als wäre die große Welt nur entstanden, den Schöpfer für dieses Meisterstück in Laune zu setzen!—Und nur in der Seele sollte Gott sich vergriffen haben? ist es möglich, daß diese empörende Mißgeburt in die Natur ohne Tadel kam? (Indem er sie schnell verläßt.) Oder sah er einen Engel unter dem Meißel hervorgehen und half diesem Irrthum in der Eile mit einem desto schlechteren Herzen ab?
 
181
Luise. O des frevelhaften Eigensinns! Ehe er sich eine Übereilung gestände, greift er lieber den Himmel an.
 
182
Ferdinand (stürzt ihr heftig weinend an den Hals). Noch einmal, Luise!—Noch einmal wie am Tag unsers ersten Kusses, da du Ferdinand stammeltest und das erste Du auf deine brennenden Lippen trat—O eine Saat unendlicher, unaussprechlicher Freuden schien in dem Augenblick wie in der Knospe zu liegen—Da lag die Ewigkeit wie ein schöner Maitag vor unsern Augen; goldne Jahrtausende hüpften, wie Bräute, vor unsrer Seele vorbei—Da war ich der Glückliche!—O Luise! Luise! Luise! Warum hat du mir das gethan?
 
183
Luise. Weinen Sie, weinen Sie, Walter. Ihre Wehmuth wird gerechter gegen mich sein, als Ihre Entrüstung.
 
184
Ferdinand. Du betrügst dich. Das sind ihre Thränen nicht—Nicht jener warme, wollüstige Thau, der in die Wunde der Seele balsamisch fließt und das starre Rad der Empfindung wieder in Gang bringt. Es sind einzelne—kalte Tropfen—das schauerliche ewige Lebewohl meiner Liebe. (Furchtbar feierlich, indem er die Hand auf ihren Kopf sinken läßt.) Thränen um deine Seele, Luise—Thränen um die Gottheit, die ihres unendlichen Wohlwollens hier verfehlte, die so muthwillig um das herrlichste ihrer Werke kommt—O mich däucht, die ganze Schöpfung sollte den Flor anlegen und über das Beispiel betreten sein, das in ihrer Mitte geschieht—Es ist was Gemeines, daß Menschen fallen und Paradiese verloren werden; aber wenn die Pest unter Engel wüthet, so rufe man Trauer aus durch die ganze Natur.
 
185
Luise. Treiben Sie mich nicht aufs Äußerste, Walter. Ich habe Seelenstärke, so gut wie Eine—aber sie muß auf eine menschliche Probe kommen. Walter, das Wort noch und dann geschieden—Ein entsetzliches Schicksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt. Dürft' ich den Mund aufthun, Walter, ich könnte dir Dinge sagen—ich könnte—aber das harte Verhängniß band meine Zunge wie meine Liebe, und dulden muß ich's, wenn du mich wie eine gemeine Metze mißhandelst.
 
186
Ferdinand. Fühlst du dich wohl, Luise?
 
187
Luise. Wozu diese Frage?
 
188
Ferdinand. Sonst sollte mir's leid um dich thun, wenn du mit einer Lüge von hinnen müßtest.
 
189
Luise. Ich beschwöre Sie, Walter-
 
190
Ferdinand (unter heftigen Bewegungen). Nein! nein! Zu satanisch wäre diese Rache! Nein! Gott bewahre mich! In jene Welt hinaus will ich's nicht treiben—Luise! Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.
 
191
Luise. Fragen Sie, was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr. (Sie setzt sich nieder.)
 
192
Ferdinand (ernster). Sorge für deine unsterbliche Seele, Luise!—Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.
 
193
Luise. Ich antworte nichts mehr.
 
194
Ferdinand (fällt in fürchterlicher Bewegung vor ihr nieder). Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt—stehst du—vor Gott!
 
195
Luise (fährt erschrocken in die Höhe). Jesus! Was ist das?—und mir wird sehr übel. (Sie sinkt auf den Sessel zurück.)
 
196
Ferdinand. Schon?—Über euch Weiber und das ewige Räthsel! Die zärtliche Nerve hält Freveln fest, die die Menschheit an ihren Wurzeln zernagen; ein elender Gran Arsenik wirft sie um-
 
197
Luise. Gift! Gift! O mein Herrgott!
 
198
Ferdinand. So fürchte ich. Deine Limonade war in der Hölle gewürzt. Du hast sie dem Tod zugetrunken.
 
199
Luise. Sterben! Sterben! Gott Allbarmherziger! Gift in der Limonade und sterben!—O meiner Seele erbarme dich, Gott der Erbarmer!
 
200
Ferdinand. Das ist die Hauptsache. Ich bitt' ihn auch darum.
 
201
Luise. Und meine Mutter—mein Vater—Heiland der Welt! Mein armer, verlorener Vater! Ist keine Rettung mehr? Mein junges Leben, und keine Rettung! Und muß ich jetzt schon dahin?
 
202
Ferdinand. Keine Rettung, mußt jetzt schon dahin—aber sei ruhig. Wir machen die Reise zusammen.
 
203
Luise. Ferdinand, auch du! Gift, Ferdinand! Von dir! O Gott, vergiß es ihm—Gott der Gnade, nimm die Sünde von ihm-
 
204
Ferdinand. Sieh du nach deinen Rechnungen—Ich fürchte, sie stehen übel.
 
205
Luise. Ferdinand! Ferdinand!—O—Nun kann ich nicht mehr schweigen—Der Tod—der Tod hebt alle Eide auf—Ferdinand!—Himmel und Erde hat nichts Unglückseligeres als dich!—Ich sterbe unschuldig, Ferdinand.
 
206
Ferdinand (erschrocken). Was sagt sie da?—Eine Lüge pflegt man doch sonst nicht auf diese Reise zu nehmen?
 
207
Luise. Ich lüge nicht—lüge nicht—hab' nur einmal gelogen mein Lebenlang—Huh! wie das eiskalt durch meine Adern schauert—als ich den Brief schrieb an den Hofmarschall-
 
208
Ferdinand. Ha! Dieser Brief!—Gottlob! Jetzt hab' ich all meine Mannheit wieder.
 
209
Luise (ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu zucken). Dieser Brief—Fasse dich, ein entsetzliches Wort zu hören—Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte—dein Vater hat ihn dictiert.
 
210
Ferdinand (starr und einer Bildsäule gleich, in langer todter Pause hingewurzelt, fällt endlich wie von einem Donnerschlag nieder).
 
211
Luise. O des kläglichen Mißverstands—Ferdinand—man zwang mich—vergib—deine Luise hätte den Tod vorgezogen—aber mein Vater—die Gefahr—sie machten es listig.
 
212
Ferdinand (schrecklich emporgeworfen). Gelobet sei Gott! noch spür' und das Gift nicht. (Er reißt den Degen heraus.)
 
213
Luise (von Schwäche zu Schwäche sinkend). Weh! Was beginnst du? Es ist dein Vater-
 
214
Ferdinand (im Ausdruck der unbändigsten Wuth). Mörder und Mördervater!—Mit muß er, daß der Richter der Welt nur gegen den Schuldigen rase. (Will hinaus.)
 
215
Luise. Sterbend vergab mein Erlöser—Heil über dich und ihn (Sie stirbt.)
 
216
Ferdinand (kehrt schnell um, wird ihre letzte sterbende Bewegung gewahr und fällt in Schmerz aufgelöst vor der Todten nieder). Halt! Halt! Entspringe mir nicht, Engel des Himmels! (Er faßt ihre Hand an und läßt sie schnell wie fallen.) Kalt, kalt und feucht! Ihre Seele ist dahin. (Er springt wieder auf.) Gott meiner Luise! Gnade! Gnade dem verruchtesten der Mörder! Es war ihr letztes Gebet!—Wie reizend und schön auch ihr Leichnam! Der gerührte Würger ging schonend über diese freundlichen Wangen hin—Diese Sanftmuth war keine Larve, sie hat auch dem Tod Stand gehalten. (Nach einer Pause.) Aber wie? Warum fühl' ich nichts? Will die Kraft meiner Jugend mich retten? Undankbare Mühe! Das ist meine Meinung nicht. (Er greift nach dem Glase.)
 
 

1.8. Letzte Scene.

 
218
Ferdinand. Der Präsident. Wurm und Bediente, welche alle voll Schrecken ins Zimmer stürzen, darauf Miller mit Volk und Gerichtsdienern, welche sich im Hintergrund sammeln.
 
219
Präsident (den Brief in der Hand). Sohn, was ist das?—Ich will doch nimmermehr glauben-
 
220
Ferdinand (wirft ihm das Glas vor die Füße). So sieh, Mörder!
 
221
Präsident (taumelt hinter sich. Alle erstarren. Eine schreckhafte Pause.) Mein Sohn, warum hast du mir das gethan?
 
222
Ferdinand (ohne ihn anzusehen). O ja freilich! Ich hätte den Staatsmann erst hören sollen, ob der Streich auch zu seinen Karten passe?—Fein und bewundernswerth, ich gesteh's, war die Finte, den Bund unsrer Herzen zu zerreißen durch Eifersucht—Die Rechnung hatte ein Meister gemacht, aber Schade nur, daß die zürnende Liebe dem Draht nicht so gehorsam blieb wie deine hölzerne Puppe.
 
223
Präsident (sucht mit verdrehten Augen im ganzen Kreise herum). Ist hier Niemand, der um einen trostlosen Vater weint?
 
224
Miller (hinter der Scene rufend). Laßt mich hinein! Um Gottes willen! Laßt mich!
 
225
Ferdinand. Das Mädchen ist eine Heilige—für sie muß ein Anderer rechten. (Er öffnet Millern die Thüre, der mit Volk und Gerichtsdienern hineinstürzt.)
 
226
Miller (in der fürchterlichsten Angst). Mein Kind! Mein Kind! —Gift—Gift, schreit man, sei hier genommen worden —Meine Tochter! Wo bist du?
 
227
Ferdinand (führt ihn zwischen den Präsident und Luisens Leiche). Ich bin unschuldig—Danke Diesem hier.
 
228
Miller (fällt an ihr zu Boden). O Jesus!
 
229
Ferdinand. In wenig Worten, Vater—Sie fangen an mir kostbar zu werden—Ich bin bübisch um mein Leben bestohlen, bestohlen durch Sie. Wie ich mit Gott stehe, zittre ich—doch ein Bösewicht bin ich niemals gewesen. Mein ewiges Loos falle, wie es will—auf Sie fall' es nicht—Aber ich hab' einen Mord begangen, (mit furchtbar erhobener Stimme) einen Mord, den du mir nicht zumuthen wirst, allein vor den Richter der Welt hinzuschleppen. Feierlich wälz' ich dir hier die größte, gräßlichste Hälfte zu; wie du damit zurecht kommen magst, siehe du selber. (Ihn zu Luisen hinführend.) Hier, Barbar! Weide dich an der entsetzlichen Frucht deines Witzes, auf dieses Gesicht ist mit Verzerrungen dein Name geschrieben, und die Würgengel werden ihn lesen—Eine Gestalt wie diese ziehe den Vorhang von deinem Bette, wenn du schläfst, und gebe dir ihre eiskalte Hand—Eine Gestalt wie diese stehe vor deiner Seele, wenn du stirbst, und dränge dein letztes Gebet weg—Eine Gestalt wie diese stehe auf deinem Grabe, wenn du auferstehst—und neben Gott, wenn er dich richtet. (Er wird ohnmächtig. Bediente halten ihn.)
 
230
Präsident (eine schreckliche Bewegung des Arms gegen den Himmel). Von mir nicht, von mir nicht, Richter der Welt, fordre diese Seelen, von Diesem! (Er geht auf Wurm zu.)
 
231
Wurm (auffahrend). Von mir?
 
232
Präsident. Verfluchter, von dir! Von dir, Satan!—Du, du gabst den Schlangenrath—Über dich die Verantwortung—ich wasche die Hände.
 
233
Wurm. Über mich? (Er fängt gräßlich an zu lachen.) Lustig! Lustig! So weiß ich doch nun auch, auf was Art sich die Teufel danken.—Über mich, dummer Bösewicht? War es mein Sohn? War ich dein Gebieter?—Über mich die Verantwortung? Ha! bei diesem Anblick, der alles Mark in meinen Gebeinen erkältet! Über mich soll sie kommen!—Jetzt will ich verloren sein, aber du sollst es mit mir sein—Auf! Auf! Ruft Mord durch die Gassen! Weckt die Justiz auf! Gerichtsdiener, bindet mich! Führt mich von hinnen! Ich will Geheimnisse aufdecken, daß Denen, die sie hören, die Haut schauern soll. (Will gehen.)
 
234
Präsident (hält ihn). Du wirst doch nicht, Rasender?
 
235
Wurm (klopft ihn auf die Schulter). Ich werde, Kamerad! Ich werde! —Rasend bin ich, das ist wahr—das ist dein Werk—so will ich auch jetzt handeln wie ein Rasender—Arm in Arm mit dir zum Blutgerüst! Arm in Arm mit dir zur Hölle! Es soll mich kitzeln, Bube, mit dir verdammt zu sein! (Er wird abgeführt.)
 
236
Miller (der die ganze Zeit über, den Kopf in Luisens Schooß gesunken, in stummem Schmerz gelegen hat, steht schnell auf und wirft dem Major die Börse vor die Füße). Giftmischer! Behalt dein verfluchtes Gold! —wolltest du mir mein Kind damit abkaufen? (Er stürzt aus dem Zimmer.)
 
237
Ferdinand (mit brechender Stimme). Geht ihm nach! Er verzweifelt—Das Geld hier soll man ihm retten—Es ist meine fürchterliche Erkenntlichkeit. Luise!—Luise!—Ich komme—Lebt wohl—Laßt mich an diesem Altar verscheiden-
 
238
Präsident (aus einer dumpfen Betäubung zu seinem Sohn). Sohn Ferdinand! Soll kein Blick mehr auf einen zerschmetterten Vater fallen? (Der Major wird neben Luisen niedergelassen.)
 
239
Ferdinand. Gott dem Erbarmenden gehört dieser letzte.
 
240
Präsident (in der schrecklichsten Qual vor ihm niederfallend). Geschöpf und Schöpfer verlassen mich—Soll kein Blick mehr zu meiner letzten Erquickung fallen?
 
241
Ferdinand (reicht ihm seine sterbende Hand).
 
242
Präsident (steht schnell auf). Er vergab mir! (Zu den Andern.) Jetzt euer Gefangener! (Er geht ab, Gerichtsdiener folgen ihm, der Vorhang fällt.)
【원문】Fünfter Akt.
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